Süddeutsche Zeitung vom 21.11.2003

Architektonische Barbarei“

Landesdenkmalrat teilt Kronawitters Hochhaus-Kritik

Alfred Dürr

Erstmals soll in München gleich ein ganzes Ensemble von Hochhäusern gebaut werden: Vier Türme von 80 bis 120 Metern Höhe – zwei westlich und zwei östlich der Friedenheimer Brücke im Planungsareal „Birketweg“. Die Adresse klingt nach ländlicher Idylle, dabei geht es um ein 59 Hektar großes Bauland auf der Entwicklungsachse zwischen Hauptbahnhof, Laim und Pasing. An diesem Projekt scheint sich die längst überfällige Grundsatzdebatte über die Hochhausstadt München zu entzünden.

Der bisherige breite Konsens im Stadtrat über neue Türme bröckelt – quer durch die Fraktionen wachsen die Zweifel, ob man bei den Planungen alles richtig gemacht hat. Lange wurde Alt-OB Georg Kronawitter im Rathaus mit seinem Feldzug gegen die „Beliebigkeit der Vierkantbolzen“ nicht ganz ernst genommen. Jetzt ziehen er als SPD-Politiker und der Vorsitzende des bayerischen Landesdenkmalrats, der CSU-Landtagsabgeordnete Ludwig Spaenle, an einem Strang.

Im Zentrum der Kritik stehen nicht nur die vier Türme am Birketweg, sondern auch die geplanten zwei Nachbar-Hochhäuser zum bestehenden Turm auf dem Siemens-Gelände im Münchner Süden und die künftige Konzernzentrale des Süddeutschen Verlags. Beim Bau von Hochhäusern nehme die Stadt zu wenig Rücksicht auf bedeutende Sichtachsen, sagen Ludwig Spaenle und sein Vorgänger im Amt, Erich Spaenle. Da sei es geradezu harmlos, von einer Verschandelung des Stadtbildes zu sprechen.“ Es läuft vielmehr auf eine Zerstörung der traditionellen Ansicht Münchens hinaus“, empört sich Schosser.

Die Vertreter des Gremiums, das die Staatsregierung in Denkmalfragen berät, melden sich erneut zu Wort, weil der Stadtrat in der kommenden Woche das Bebauungsplan-Verfahren für das Hochhaus-Ensemble am Birketweg starten will. Bei der Abstimmung darüber soll es keinen Fraktionszwang geben, so ist zu hören. Zu kontrovers sind die Argumente quer durch die politischen Reihen.

Die Gebäude sind sowohl vom Schloss Nymphenburg als auch vom Rondell aus deutlich zu sehen. In der Sichtachse vom Maximilianeum aus in Richtung Innenstadt erscheinen die Türme direkt neben der Frauenkirche, so Spaenle. Auf dieses älteste Wahrzeichen Münchens werde so wenig Rücksicht genommen wie auf weltberühmte Ensemble Nymphenburg. Spaenle:“ Die Verwirklichung dieses Planes wäre eine architektonische Barbarei sondergleichen.“

in der Verwaltung verweist man auf die Überarbeitungsprozesse und die umfangreichen Prüfungen zur Stadtbild-Verträglichkeit. Außerdem tagt nächste Woche die Stadtgestaltungskommission. Vielleicht findet dieses Gremium von Architektur-Fachleuten die Argumente, die dem Stadtrat eine Entscheidung über das Projekt Birketweg erleichtert.

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