TZ, München vom 12.10.2005

Beckstein holt Südring aus der Versenkung

Große Koalition soll das ehrgeizige Projekt auf den Weg bringen

(Johannes Welte) Noch ist Günther Beckstein bayerischer Innenminister und so Kraft seines Amtes für den Straßenbau im Freistaat zuständig. Doch angesichts der sich abzeichnenden großen Koalition in Berlin wittert der mutmaßliche künftige Ministerpräsident Morgenluft für eines der umstrittensten Verkehrsprojekte im Großraum München: den Lückenschluss der A99 im Süden der Landeshauptstadt.

Dabei geht es um die etwa 22 Kilometer lange Verbindung zwischen dem Ende der im kommenden Frühjahr fertiggestellten A 99 West und der A995 bei Taufkirchen, die nach wenigen Kilometern bei Brunnthal auf die A 99 Ost sowie die A 8 München-Salzburg trifft.

Im Süden Münchens würde sich der Südring mit der Garmischer Autobahn A 95 sowie der B 11 nach Innsbruck treffen. Seit den 70er Jahren wird über das Mammutprojekt diskutiert. 1985 wurde der Südring schon mal im Bundestag beerdigt, um im Herbst 2002 vom Landtag wieder aus der Schubalde geholt zu werden: Auch mit Stimmen der SPD wurde damals eine Machbarkeitsstudie für das „Kreuz des Südens“ beschlossen.

Doch aus dieser Studie wurde nichts: Der Verzicht auf den Autobahnring München-Süd war Bestandteil der Koalitionsvereinbarung von Rot-Grün. Im Mai 2004 wurde das Projekt vom Bundestag in die Kategorie „kein Bedarf“ eingestuft – das vorläufige Todesurteil für die Trasse. Selbst die vom Landtag geforderte Machbarkeitsstudie war damit gestoppt, bevor sie überhaupt begonnen wurde. Beckstein will das Projekt jetzt wiederbeleben: „Der vollständige Autrobahnring muss her“, sagte er bei einer Rede vor dem Wirtschaftsbeirat der Union in München. Große Teil des Projekts würden im Tunnel verlaufen oder zumindest in einem Einschnitt. „Dazu zwingt ja alleine die Bebauung etwa in Gräfelfing“, so der Innenminister.

Und die Isar selbst solle nicht mit einer Brücke, sondern mit einem Tunnel gequert werden. An der A95 nach Garmisch sowie an der B11 müsste sie natürlich auftauchen. Beckstein spricht von einem massiven „Entlastungspotenzial“ des Südrings. Damit meint er die chronisch verstopfte A99 Ost zwischen Nordkreuz und dem Kreuz Brunnthal sowie die Innenstadt, wo vor allem der Luise- Kiesselbachplatz am Nord-Südverkehr zu ersticken droht. Einerseits wird hier mit einem Zuwachs durch den Lückenschluss der A 99 zwischen der Lindauer und der Stuttgarter Autobahn gerechnet.

Andererseits soll der Platz Irgendwo im markierten Raum soll der Südring größtenteils unterirdisch verlaufen – eine genaue Trasse gibt es noch nicht Grafik: Kartografie Huber/Schmitt Der Autobahnring München-Ost ist bislang hoffnungslos überlastet Beckstein holt Südring aus der Versenkung im nächsten Jahrzehnt untertunnelt werden – für Beckstein kein Argument, auf den Autobahnsüdring zu verzichten oder beide Projekte gar gegeneinander auszuspielen. Beckstein fordert deshalb, wenigstens eine Untersuchung des Projekts in Auftrag zu geben.

Erste Schätzungen gehen übrigens von Baukosten von knapp einer Milliarde Euro aus. Zum Vergleich: Die A 99 zwischen A 96 und A 8 kostet voraussichtlich 180 Millionen Euro. Im Münchner Süden wird Beckstein große Überzeugungsarbeit leisten müssen, wenn er das Mammut-Projekt durchsetzen will. Sämtliche betroffenen Bürgermeister, egal welcher Partei sie angehören, sind gegen den Lückenschluss. Sie befürchten massive ökologische Beeinträchtigungen schon beim Bau der Autobahn, die auch den Forstenrieder Park sowie den Perlacher Forst durchschneiden würde.

Auch die Landeshauptstadt hat sich längst gegen das Projekt ausgesprochen – auch wenn ihr Territorium voraussichtlich gar nicht betroffen sein wird. Wegen der hohen Kosten ist übrigens auch Finanzminister Kurt Faltlhauser dagegen – im Gegensatz zu Peter-Paul Gantzer – dem SPD-Landtagsabgeordneten des Münchner Ostens, der unter dem Verkehr auf der A 99 Ost zu leiden hat. Er hatte im Landtag für die Prüfung des Projekts gestimmt. Umweltverbände lehnen eine Autobahn durch den Forstenrieder Park natürlich vehement ab.