Imitationsarchitektur

Will München zu hoch hinaus? SZ vom 24./25. März 2001

Mit seinem Alarmruf vor der drohenden Hochhausmanie hat Alt-OB-Kronawitter Recht. Die einst fein gegliederte Silhouette ist durch mächtige Gebäuderiegel vorgeschädigt. Im Trend zur High-Tech-Community wittern jetzt Star-Architekten, kapitalstarke Bauherren, Stadtplanungstheoretiker und renditehungrige Großinvestoren Morgenluft. Sie übertrumpfen sich bei Ihren Projekten in Form, Höhe und Standort. Ihr Argument, dass damit neue Akzente gesetzt würden, ist stets das Signal, die Silhouette an neuer Stelle aufzureißen.

Hochhäuser sind nicht die Stilform des 21 Jahrhunderts, sondern eine importierte Imitationsarchitektur mit verrückten Wucherungen. München erhielte ein langweiliges Einheitsgesicht wie viele Mega-Städte. Zur psychologischen Seite: Hochhäuser mit Ihren verspiegelten Fassaden reflektieren das Licht, werfen es zurück. Zurückwerfen heißt Zurückstoßen, nicht nur das Licht, sondern auch die Menschen. Ein Gebäude soll aber anziehen, einladen und Menschen hineinziehen. Hochhäuser mit Ihren aalglatten Außenhaut strahlen Glanz, aber nicht Wärme aus. Unsere Städte werden kälter.

Die Behauptung ist falsch, Hochhäuser entsprechen dem Lebensgefühl unserer Zeit. Ihre Benutzer preisen zwar den fantastischen Panoramablick, hängen aber in ihren Zimmer Bilder vom Malerwinken in Rottach-Egern oder der Tölzer Marktstrasse auf. Alle Besucher einer Stadt eilen sofort in die Altstadtkerne und fühlen sich dort heimelig.

Es ist erhellend, dass die meisten Propagandisten der modischen Geschmacksdiktatur nicht aus Bayern stammen. Die wirklichen München-Freunde und die einheimische Bevölkerung sollten sich nicht durch Totschlagformeln wie „kleinkariert“ oder „provinziell“ einschüchtern lassen und nach Kriegs- und Nachkriegszerstörungen nicht eine dritte Zerstörung unseres Lebensumfelds hinnehmen.

Dr. Walter Spaeth, München

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